Schon geringfügige Hypothyreose erhöht das Risiko für Fehlgeburten

Schilddrüsenhormone gehören zu den zentralen Stellschrauben des Stoffwechsels. Wie wichtig eine gesunde und gut funktionierende Schilddrüse besonders in der Schwangerschaft ist, zeigt eine aktuelle Veröffentlichung aus Shenyang. Chinesische Wissenschaftler kommen nach einer Metaanalyse bereits veröffentlichter Studien zu dem Schluss, dass bereits geringfügig erniedrigte Schilddrüsenwerte das Risiko von Fehlgeburten erhöhen.

Veränderte Schilddrüsenwerte in der Schwangerschaft

In der Schwangerschaft kommt es zu völlig normalen, aber drastischen Veränderungen der Schilddrüsenwerte. Der Bedarf an Schilddrüsenhormonen verdoppelt sich infolge des erhöhten Stoffwechsels. Zu den Ursachen veränderter Hormonwerte gehört Jodmangel infolge des durch die Schwangerschaft erhöhten Bedarfes an dem Spurenelement. Änderungen im Serumspiegel des humanen Choriongonadotropin (hCG – bekannt von den Teststreifen der Schwangerschaftstests) und Östrogen verursachen höhere Serumwerte von Thyreoglobulin (TBG) und Thyroxin (T4). Schließlich verändert die Plazenta die Dejodinierung von Thyroxin in das wirksamere Trijodthyronin (T3).

Nach der Schwangerschaft setzt die Schilddrüse häufig noch eins drauf und entzündet sich. Die sogenannte post partum-Thyreoiditis äußert sich in Schilddrüsenfehlfunktionen, die jedoch schnell wieder abheilen. Sie tritt bei rund vier Prozent aller schwangeren Frauen auf.

Schilddrüsenunterfunktion während der Schwangerschaft

In diesem ohnehin empfindlichen System können sowohl Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) als auch Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) die Schwangerschaft negativ beeinflussen. Bereits im Vorfeld sind Hypothyreosen vielfach der Grund für unerfüllten Kinderwunsch, denn Schilddrüsenhormone spielen bei der Empfängnis eine wichtige Rolle. Kommt es trotzdem zu einer Schwangerschaft, kann der Hormonmangel den Embryo schädigen oder Fehlgeburten auslösen.

Bei Frauen im gebärfähigen Alter treten Schilddrüsenunterfunktionen mit einer Häufigkeit von fünf bis fünfzehn Prozent auf [2]. Ursache ist häufig eine chronische Schilddrüsenentzündung infolge einer Autoimmunerkrankung, der Hashimoto-Thyreoiditis. Die fehlgerichtete Immunreaktion greift die Zellen der Schilddrüse an und führt zu einer Entzündung, in deren Folge das Organ immer weiter schrumpft. Dementsprechend stehen immer weniger hormonproduzierende Zellen zur Verfügung und es kommt zu einer fortschreitenden Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose).

Subklinische Hypothyreosen

Schilddrüsenunterfunktionen sind sehr weit verbreitet, besonders leichtere Formen, die man in der Klinik noch nicht als „echte“ Hypothyreosen wertet. Man bezeichnet diese als subklinische Hypothyreosen (SCH). Bei einer SCH sind weniger schädliche Auswirkungen auf die Schwangerschaft zu erwarten als bei einer hochgradigen Schilddrüsenunterfunktion.

In verschiedenen Studien haben Kliniker mehrfach festgestellt, dass bereits geringfügig verminderte Hormonwerte zu Komplikationen führen. Dazu gehören Früh- und Fehlgeburten, Plazentaablösungen, fötaler Distress und/oder Schwangerschaftsvergiftungen (Gestosen) wie Präeklampsie und Eklampsie [3].

Widersprüchliche Studienergebnisse

Ob die geringfügig verminderten Schilddrüsenwerte einer SCH wirklich mit einer erhöhten Rate an Fehlgeburten einhergehen wird in Studien kontrovers diskutiert. Während einige keinen Zusammenhang sehen [4,5], deuten andere auf eine deutliche Relation hin [6,7]. Schon 2010 wies eine italienische Studie darauf hin, dass nicht nur die Schilddrüsenhormone T3 und T4 selbst eine Rolle spielen, sondern auch das übergeordnete Thyroidea-stimulierende Hormon TSH (Thyreotropin). Erhöhte Werte des Steuerhormons aus dem Hypophysenvorderlappen gingen mit Embryonalschäden und vermehrten Fehlgeburten einher. Werte über 2,5 Milliunits pro Milliliter verdoppelten das Risiko einer Fehlgeburt von 3,6 auf 6,1 Prozent [7].

Führen geringfügig verminderte Schilddrüsenwerte wirklich zu mehr Fehlgeburten?

Diese Kontroverse haben Wissenschaftler der Universitätsklinik Shenyang zum Anlass genommen, sich alle bisher veröffentlichten klinischen Studien von 1980 bis 2015 zu diesem Thema näher anzusehen. Dabei berücksichtigten sie Fehlgeburten bis zur zwanzigsten Schwangerschaftswoche. Eine solche retrospektive Analyse bereits erhobener Daten unter veränderten Gesichtspunkten bezeichnet man in der Statistik als Metaanalyse. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht [1].

Niedrige Schilddrüsenwerte erhöhten das Risiko von Fehlgeburten deutlich

Es stellte sich heraus, dass Patientinnen mit unbehandelter SCH statistisch signifikant ein fast doppelt so hohes Risiko für Fehlgeburten haben als solche mit normaler Schilddrüsenfunktion (relatives Risiko RR = 1,90). War eine Autoimmunerkrankung Ursache der SCH, stieg das Risiko sogar auf das Zweieinhalbfache (RR = 2,47). Dagegen ließ sich bei einer behandelten Hypothyreose kein Unterschied zu gesunden Schwangeren feststellen.

Somit sind bereits die nur geringfügig verminderten Schilddrüsenwerte einer SCH als eindeutiger Risikofaktor für Aborte einzustufen, insbesondere bei Patientinnen mit Hashimoto-Thyreoiditis.

Was schließen wir aus der Metaanalyse?

Die Ergebnisse lassen eine routinemäßige Bestimmung der Schilddrüsenhormone bei schwangeren Frauen empfehlenswert erscheinen. Sie sollten sich schon bei nur geringfügig erniedrigten, noch nicht als klinisch behandlungsbedürftig eingestuften Schilddrüsenwerten mit ihrem Gynäkologen besprechen, ob eine Substitutionstherapie in Erwägung zu ziehen ist. Bereits zu Beginn einer Schwangerschaft begonnen könnte diese helfen, Fehlgeburten oder Spätfolgen in der Entwicklung des Kindes zu vermeiden.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  1. Besprochene Publikation:
    Zhang Y, Wang H, Pan X, Teng W, Shan Z.
    Patients with subclinical hypothyroidism before 20 weeks of pregnancy have a higher risk of miscarriage: A systematic review and meta-analysis.
    PLoS One. 2017 Apr 17;12(4):e0175708. doi: 10.1371/journal.pone.0175708. eCollection 2017. Review. PMID: 28414788. PDF>>.
  1. van den Boogaard E, Vissenberg R, Land JA, van Wely M, van der Post JA, Goddijn M, Bisschop PH:
    Significance of (sub)clinical thyroid dysfunction and thyroid autoimmunity before conception and in early pregnancy: a systematic review.
    Hum Reprod Update. 2011 Sep-Oct;17(5):605-19. doi: 10.1093/humupd/dmr024. Epub 2011 May 28. Review.PDF>>.
  1. Cooper DS, Pearce EN.
    Subclinical Hypothyroidism and Hypothyroxinemia in Pregnancy – Still No Answers.
    N Engl J Med. 2017 Mar 2;376(9):876-877. doi: 10.1056/NEJMe1615312. No abstract available. PMID: 28249140.
  1. Cleary-Goldman J, Malone FD, Lambert-Messerlian G, Sullivan L, Canick J, Porter TF, Luthy D, Gross S, Bianchi DW,
    D’Alton ME.
    Maternal thyroid hypofunction and pregnancy outcome.
    Obstet Gynecol. 2008 Jul;112(1):85-92. doi: 10.1097/AOG.0b013e3181788dd7. PMID: 18591312. PDF>>.
  1. Pu-Yu Su, Kun Huang, Jia-Hu Hao, Ye-Qin Xu, Shuang-Qin Yan, Tao Li, Yuan-Hong Xu, Fang-Biao Tao:
    Maternal Thyroid Function in the First Twenty Weeks of Pregnancy and Subsequent Fetal and Infant Development: A Prospective Population-Based Cohort Study in China.
    Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, Volume 96, Issue 10, 1 October 2011: 3234–3241. PDF>>.
  1. Haixia Liu, Zhongyan Shan, Chenyan Li, Jinyuan Mao, Xiaochen Xie, Weiwei Wang, Chenling Fan, Hong Wang, Hongmei Zhang, Cheng Han, Xinyi Wang, Xin Liu, Yuxin Fan, Suqing Bao, Weiping Teng
    Maternal Subclinical Hypothyroidism, Thyroid Autoimmunity, and the Risk of Miscarriage: A Prospective Cohort Study
    Thyroid. 2014 Nov 1; 24(11): 1642–1649. PDF>>.
  1. Negro R, Schwartz A, Gismondi R, Tinelli A, Mangieri T, Stagnaro-Green A.
    Increased pregnancy loss rate in thyroid antibody negative women with TSH levels between 2.5 and 5.0 in the first trimester of pregnancy.
    J Clin Endocrinol Metab. 2010 Sep;95(9):E44-8. doi: 10.1210/jc.2010-0340. Epub 2010 Jun 9. PMID: 20534758.