Überversorgung bei Schilddrüsenerkrankungen in Deutschland

Überversorgung bei Schilddrüsenerkrankungen
Eine Operation an der Schilddrüse ist nur dann notwendig, wenn eine bösartige Veränderung vorliegt.

Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung hat die medizinische Versorgungssituation in Deutschland genauer untersucht. Dabei sind die Wissenschaftler auch auf die Situation bei Schilddrüsenerkrankungen eingegangen. Schilddrüsenerkrankungen gehören zu den sehr häufigen Erkrankungen in Deutschland. Jeder dritte Bundesbürger ist in irgendeiner Form von einer Erkrankung der Schilddrüse betroffen. Die Studie hat auch untersucht, ob die getroffenen Maßnahmen sinnvoll und nützlich sind.

Leider ist Studie zu einem schlechten Ergebnis im Hinblick auf die Versorgung von Schilddrüsenerkrankungen gekommen. Was genau in der Studie untersucht wurde und wie die Situation bei den Schilddrüsenerkrankungen ist wollen wir Ihnen in dem nachfolgenden Artikel genauer beschreiben.

Was macht die Bertelsmann Stiftung?

Die Bertelsmann Stiftung wurde 1977 gegründet. Sie ist eine selbständige und private Stiftung aus Gütersloh. Laut eigener Aussage soll die Stiftung die „Förderung der Wissenschaft und Forschung, der Religion, des öffentlichen Gesundheitswesens, der Jugend- und Altenhilfe, der Kunst und Kultur, der Volks- und Berufsausbildung, des Wohlfahrtswesens, der internationalen Gesinnung, des demokratischen Staatswesens und des bürgerschaftlichen Engagements“ bezwecken. Sie finanziert viele wissenschaftliche Studien zu gesamtgesellschaftlichen Themen wie in diesem Fall zum Thema Gesundheit.

Was wurde in der Studie genau untersucht?

Die Wissenschaftler haben in der aktuellen Studie untersucht, ob die Maßnahmen, die von den Ärzten getroffen wurden, sinnvoll und passend für die Behandlung der jeweiligen Erkrankung waren. Sie haben sich genau angesehen, welche Untersuchungsmethoden, Operationen und Therapien angeordnet wurden.  Außerdem haben sie betrachtet, welche und wie viele Arzneimittel von den Ärzten verschrieben wurden. Wenn die Wissenschaftler auf Unregelmäßigkeiten gestoßen sind haben sie genau nachgeforscht, worauf diese Fehler zurückzuführen sind. Damit wollten sie genau erklären können wo Fehler im Gesundheitsbetrieb gemacht werden und was die Ursachen dafür sind.

Wie ist die Situation bei Schilddrüsenerkrankungen?

Die Situation bei Schilddrüsenerkrankungen wurde von den Wissenschaftlern beispielhaft herausgearbeitet. Sie haben dabei betrachtet, welche Diagnosen im Bereich der Schilddrüsenerkrankungen genau gestellt wurden. Zu diesen Erkrankungen zählen zum Beispiel Schilddrüsenunter– und auch überunktion.

Sie haben untersucht, welche diagnostischen Verfahren zur Erkennung verwenden wurden. Außerdem war ein Teil der Studie die Frage danach, welche medizinischen Maßnahmen ergriffen wurden, um die entsprechende Erkrankung zu therapieren. Dabei war es natürlich interessant zu sehen, ob diese Maßnahme überhaupt zu der entsprechenden Diagnose passt oder nicht.

Was hat die Studie bei den Schilddrüsenerkrankungen ergeben?

In Deutschland werden wegen Schilddrüsenerkrankungen jährlich 70.000 Operationen an der Schilddrüse durchgeführt. Bei diesen Schilddrüsenerkrankungen hat die Studie ergeben, dass 90 Prozent der Eingriffe fraglich sind. Denn bei diesen 90 Prozent der Eingriffe lag keine bösartige Veränderung der Schilddrüse vor.

Und nur eine bösartige Schilddrüsenveränderung wäre – laut den Angaben der Wissenschaftler – ein gerechtfertigter Grund für eine entsprechende Operation gewesen. Durch bessere diagnostische Verfahren hätte man bei vielen Patienten wahrscheinlich noch vor der Operation herausfinden können, dass keine bösartigen Veränderungen des Gewebes vorliegen. In diesem Fall hätte man keinen operativen Eingriff an der Schilddrüse vornehmen müssen. Dem Patienten wäre somit das Operationsrisiko erspart geblieben. Zusätzlich wären die Kosten für das Gesundheitssystem geringer ausgefallen.

Was wird empfohlen, um Überversorgung zu vermindern?

Als wichtige Maßnahme gegen eine solche Überversorgung haben die Wissenschaftler das sogenannte „Choosing wisely“-Prozedere genannt. Das bedeutet (übersetzt aus dem Englischen) so viel wie „Gemeinsam klug entscheiden“. Die Ärzte selbst sollen also bei jeder Maßnahme und Verordnung Verantwortung übernehmen und die Maßnahmen überdenken. Sie sollen immer wieder neu entscheiden, ob die Maßnahme sinnvoll ist.

Aber auch viele Patienten haben oftmals zu hohe Ansprüche an die Ärzte. Sie wünschen sich eingehende Untersuchungen und würden so durch ihr eigenes Handeln Überversorgung befördern. Außerdem soll die Vergütung von medizinischen Leistungen überarbeitet werden, um falsche Anreize zu vermeiden.

Medizinische Überversorgung – Das Fazit

Das Fazit der Wissenschaftler ist ernüchternd. Laut eigener Aussage vermuten sie, „dass bis zu 30 Prozent der medizinischen Leistungen in westlichen Industrieländern auf Überversorgung entfallen.“ Sie empfehlen Ärzten aber auch Patienten genau zu überlegen, ob eine Maßnahme wirklich sinnvoll ist. Mit diesem Vorgehen lassen sich Kosten senken und unnötige oder gar gefährliche Therapien vermeiden. Davon profitieren letztlich alle Beteiligten.